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Post #181: Trump-Speak [German]

  • Writer: Daniel Pellerin
    Daniel Pellerin
  • Dec 18, 2022
  • 7 min read

Updated: Jun 18

8. November 2024

 

     Man kann in Sachen Trump in vielen Bereichen geteilter Meinung sein, wie die letzten Monate besonders eindrücklich belegt haben. Die einen hoffen auf ihn, den anderen ist er ein regelrechter Gräuel, eine dritte Gruppe ist vielleicht amüsiert, eine vierte kann so oder so nichts mit der Veranstaltung anfangen. Hier schwört man auf ihn, da wird er verflucht, aber bei allem (enormen) gegenseitigen Unverständnis, an einem besteht eigentlich kein Zweifel: die Welt hat mit Donald Trump vor allem ein kommunikatives Problem.

     Man mag ihn schätzen oder verachten, aber wer wäre so kühn zu behaupten, dass er sich mit den gewöhnlichen Mitteln verstehen ließe, also indem man ihn beim Wort nimmt? Da geben selbst die meisten Hoffer unumwunden zu, dass er auch einen unglaublichen, manchmal regelrecht erschreckenden Unsinn zusammenredet, und zwar ohne dabei so systematisch vorzugehen, dass man sozusagen im Sinne der gründlichen Mülltrennung verlässlich unterscheiden könnte, was eigentlich in welchen Eimer gehört. Diese Entscheidung unterliegt in geradezu bestürzendem Ausmaß der Interpretation des einzelnen, der dabei von Trumps Seite auf keine verlässliche Unterstützung zählen kann.

     Wer sich in der Pflicht fühlt, durch das gesprochene oder geschriebene Wort irgendwie zur kollektiven Realitätssicherung beizutragen, dem gibt Trump erheblich zu denken; bisweilen erregt und empört er in dieser Hinsicht regelrecht das sittliche Empfinden. Es gibt manchen Grund, Trump unerträglich zu finden, auf den ich hier nicht einzugehen brauche, aber dieser durch und durch unverantwortliche Umgang mit der Sprache (soweit jedenfalls ein naheliegender Eindruck) ist sicher einer der grundsätzlichsten. Was ist mit jemandem anzufangen, der sich über unsere gewachsene Common Law der Kommunikation auf so unerhörte Weise hinwegsetzt, ohne jeden erkennbaren Respekt für die gängigen Anforderungen der Logik, der Kohärenz oder Konsistenz, oder jeglicher kommunikativer Hygiene überhaupt. Was soll das?

     Von normalen Sterblichen (zu denen Mr. Trump sich augenscheinlich nicht rechnet) wird gemeinhin unter erheblichen sozialen Sanktionen erwartet, dass sie wenigstens im großen und ganzen sagen was sie denken und denken was sie sagen. Bei Trump ist das ganz anders. Eine echte Kongruenz zwischen nachvollziehbarem Denken und dessen Ausdruck ist da kaum oder gar nicht zu erkennen. Trotzdem scheint die Sache (der Wahnsinn, sagt mancher) irgendwie System zu haben, sonst würde sie kaum funktionieren. Man mag von den Amerikanern halten, was man will, aber dass die Mehrheit völlig verrückt geworden sein soll, oder sich damit zufrieden geben würde, einen kommunikativen Quark vorgesetzt zu bekommen, der tatsächlich völlig ungenießbar ist, bleibt doch irgendwie unwahrscheinlich, bei allen Vorurteilen und Vorbehalten.

     Anscheinend macht Trump da etwas, was seinen Bewunderern wenigstens das Gefühl vermittelt, ihn zu verstehen, während die anderen nur ein aufbrausendes Rauschen zu hören bekommen, das entsetzt und abstößt. Ohne Decoder ist das nicht zu ertragen; die Frage ist also, ob es einen solchen Apparat überhaupt gibt bzw. woher man ihn nehmen soll (oder zur Not auch stehlen: schließlich ist das was Trump sagt, wenn man ihn beim Wort nimmt, so wenig wahrheitsgetreu, dass eigentlich fast jedes Gegenmittel erlaubt ist—ich meine rhetorisch, nicht per Scharfschützenmethodik).

     In Europa liegt der Schluss nahe, und diese Interpretation hat sich inzwischen auch an den amerikanischen Universitäten und den ihnen nahestehenden Kreisen festgesetzt, dass Trump irgendwie auf den Spuren Mussolinis unterwegs sein könnte, oder gar Hitlers. Diese Ängste sind nicht schwer nachzuvollziehen, wenn man weiß, wie verstörend die Wirkung ist, die Trump mit seiner Art auf die andere Seite hat. Ich kenne diese Wirkung ganz persönlich. Mir wird selbst schwarz vor Augen, wenn Trump mal wieder aufdreht. Ich kann mir diese scheußlichen Verdrehungen der Tatsachen keine fünf Minuten anhören; das wird schon nach ein paar Sätzen gänzlich unerträglich. Wer dem Wort verpflichtet ist, das angeblich am Anfang war—nicht unbedingt dem religiösen, aber dem gemeinschaftsunerlässlichen, wie man es auch näher auslegen mag—den überkommt bei diesem Spektakel zwangläufig nicht nur das Unbehagen, sondern geradezu das Grauen.

     Nur sollte man sich an dieser Stelle trotzdem fragen, wie es denn bitte sein kann, dass immerhin über siebzig Millionen Amerikaner diesen Menschen gewählt haben. Ist es wirklich denkbar, dass es sich dabei um eine derart verderbte und verblendete Masse handelt, dass etwa nicht wahrgenommen wird, wie eklatant Trump sich selbst widerspricht, wie unlogisch das ganze in der Regel ist und wie wenig auf die eigentliche Sachlage eingegangen wird bzw. in wie rücksichtslos verdrehter Form, wenn überhaupt? Merken diese wohl fast hundert Million Amerikaner etwa gar nichts mehr (denn viele potentielle Trump-Wähler haben sicher wie immer den weiten und komplizierten Weg zur Wahlurne nicht geschafft an einem gewöhnlichen Arbeitstag)?

     Oder ist es vielleicht die andere Seite, der in dieser bizarren Inszenierung etwas entgeht, weil sie in einer Art Privatsprache stattfindet, für die man eben den oben bemühten Decoder bräuchte, um auch nur ansatzweise zu verstehen, wie jemand diese Show auch nur ein paar Minuten lang ertragen kann, geschweige denn regelrechte Freude daran zu finden, wie ja hinlänglich belegt, so unverständlich es auch bleiben mag? Ich bilde mir nicht ein, diese Frage hier inhaltlich klären zu können, aber wir waren bei der Sprache, und dabei hätte ich drei Anhaltspunkte zu bieten, die mir zwar auch nicht ermöglichen, Trump etwa mit Vergnügen zuhören zu können, die aber vielleicht wenigstens ein bisschen Licht in das vermeintlich hoffnungslose Dunkel bringen könnten.

     Trump spricht meiner Einschätzung nach mitnichten, um zu klären oder zu erklären, sondern er folgt in seiner Kommunikation drei Grundprinzipien, die ich zwar nicht gutheiße, aber die mir trotzdem nicht vorkommen, als befänden wir uns tatsächlich auf dem Weg nach Nürnberg. Erstens, Trump geht es immer und vor allem darum, aufzuschneiden. Man denke ihn sich als Spielplatzangeber, dann wird vieles deutlicher. Nun könnte man deswegen leicht in Verzweiflung geraten (Max Webers Wort vom parvenümäßigen Bramarbasieren mit der Macht und der eitlen Selbstbespiegelung im Gefühl dieser Macht mag einem dabei in den Sinn kommen), aber vielleicht kann man es ja auch etwas weniger eng sehen, wie es das Trump-freundliche Publikum offensichtlich zu tun weiß.

     Trump gibt eben Trump, und jedes Mittel, egal wie unlogisch, ist ihm dazu recht, sich in ein schmeichelhaftes Licht zu rücken. Nur meint dieses Publikum wohl, dass es einem überlassen bleibt, ob man das als Tragödie verstehen muss, oder eben eher als Kabarett, seichte Operette oder Broadway-Musical. Immerhin ist dies ein ehemaliger Präsident, der erklärt hat, dass einem Mann kein schlimmeres Makel widerfahren kann, als dass ihm etwa die Haare ausfallen. Darüber lacht man entweder, oder man weint eben; nur wenn man mit dem Weinen über Trump erstmal angefangen hat, wird es schwer wieder aufzuhören. Man sollte es sich also angesichts der nunmehr anstehenden vier Jahre vielleicht doch noch einmal überlegen.

     Zweitens geht es Trump bei Auftritten ganz offensichtlich nicht um diesen oder jenen Sachverhalt, sondern vor allem um das Unterhaltungspotential des vorliegenden Materials. Und dabei fällt auf, dass eigentlich nichts unwitziger ist, als ernsthaft und sachlich bleiben zu müssen. Wenn schon angeben, dann richtig, sonst wirkt es nur erbärmlich, und wenn man unterhalten möchte, dann muss man ebenfalls ordentlich aufzudrehen verstehen, sonst wird es langatmig und albern. Wiederum scheinen das die Parteigänger ganz gut begriffen zu haben, denn dass die versammelte Riesenmannschaft nur aus Vollidioten bestehen soll, die nicht merken, wenn einer gerade mal wieder die Sau raus lässt, ist zwar möglich, aber nicht gerade wahrscheinlich. Die Latte mag ja in den USA nicht immer besonders hoch liegen; aber so niedrig liegt sie dann doch wieder nicht, jedenfalls nicht für fast hundert Millionen, die ja nicht alle geistig minderbemittelt sein können.

     Drittens scheint es bei Trumps Kommunikationsstil auf eine Art konstante Verhandlungsführung hinauszulaufen, die so funktioniert, dass er grundsätzlich mit einer Maximalposition anfängt, von der er dann nach Bedarf entweder abrückt, oder die auch ohne weiteres ganz unter den Tisch fallen kann, wenn sich die Bewegung in diese Richtung als unvorteilhaft oder unersprießlich herausstellen sollte. Was Trump dabei von anderen unterscheidet ist, dass er praktisch ununterbrochen in dieser Form verhandelt, und dass auch zwischen den verschiedenen Ebenen—also Prahlerei, Entertainment und Verhandlung—keine wirklichen Abgrenzungen stattfinden. Stattdessen fließt alles zu einem Brei zusammen, bei dem es einem mit Berechtigung schlecht werden kann, denn auf Wahrhaftigkeit oder Hygiene kommt es dabei nicht einmal ansatzweise an.

     Trotzdem entsteht ein schiefes Bild, wenn man angesichts dieser schwindelerregend schrägen Lage meint, man hätte es etwa mit einem ernsthaft diktatorischen Charakter zu tun. So inszeniert er sich mitunter, gewiss, aber auch das ist Teil der großen Show und stößt auf ein entscheidendes Gegenargument, das ich Andrew Sullivan verdanke (übrigens trotzdem ein dezidierter Trump-Gegner, und das von Anfang an), und zwar, dass es Trumps Ego- und Entertainment-Kombiprogramm entschieden zuwider liefe, wenn er sich etwa ernsthaft damit zu beschäftigen hätte, andere systematisch zu kontrollieren. Solche politischen Herrschaftsambitionen oder Besserungsallüren liegen Trumps Temperament (bei allen Mängeln) derart fern, dass es regelrecht bemerkenswert ist, wenn man den Umfang seiner Machtmöglichkeiten bedenkt.

     Es geht Trump offensichtlich nicht um die Beherrschung, weder seiner selbst, noch seiner Mitbürger oder anderer überhaupt; er will vor allem im großen Stil bewundert und geliebt werden, in der begeisterten Masse baden so viel er kann und dabei ein Maximum an wohlwollendem Gelächter und Beifall erheischen. Dass es ihm aber etwa darum ginge, andere zu unterjochen, wie bei seinen angeblichen faschistischen Vorbildern, passt einfach nicht in sein Persönlichkeitsbild, so wenig schmeichelhaft es auch ausfallen mag.

     Genauso wenig gibt er einen glaubwürdigen Kriegsfreund oder gar Kriegstreiber her. Selbstverständlich ist Trump kein Pazifist oder Humanist, und auch zum umtriebenen Friedensstifter, zu dem er gerne hochstilisiert wird, taugt er denkbar schlecht. Richtiger ist schon, dass ihm Krieg ist viel zu teuer, zu langwierig und letztlich auch zu langweilig ist. Daran hat keiner Spaß, ein Trump schon gar nicht, zumal er ja dann damit rechnen müsste, dass ihm die Generäle und die Helden die Show stehlen. Er mag ja dieser Tage von manchem für einen Prachtkerl gehalten werden, aber gerade die hochkalibrigen Soldaten, die ihn aus der Nähe erlebt durften—John Kelly, Jim Mattis, H.R. McMaster, und so weiter—haben sich von ihm immer wieder besonders entschieden distanziert. Ein echter Held reckt keine Faust zum Himmel, wenn auf ihn geschossen wird; das kommt viel zu häufig vor, und zwar nicht nur vor laufenden Kameras und bei vorteilhafter Beleuchtung.

 

PS: Dieser Text stammt von Anfang November letzten Jahres und bezieht sich somit nicht auf die deutlich finstereren Töne, die derzeit (14. Juni 2025) angesichts des israelischen Angriffs auf den Iran von Trump zu hören sind.

 
 

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Daniel Pellerin

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